Investition in die Karriere

Gestalter im Handwerk – Deutschlandweit bieten Akademien für Gestaltung den Studiengang zum Gestalter im Handwerk an. Seit 2010 besteht auch in Halle solch eine praxisorientierte Fortbildungsmöglichkeit, bei der auch Fliesenleger ihre gestalterischen Fähigkeiten vertiefen können.

 

Was an der Akademie für Gestaltung und Design in München seit Jahrzehnten klappt, sollte auch in Halle möglich sein. Für diese Überzeugung setzte sich Dr. Jürgen Weißbach, Vorstandsvorsitzender des Vereins Künstlerhaus 188, mit ganzer Kraft ein. Er wollte eine Plattform für Gestaltung im Handwerk in Sachsen-Anhalt ins Leben rufen.

„Das war gar nicht so einfach“, erinnert er sich. Immerhin hat es fünf Jahre gedauert, bis seine Argumente auf fruchtbaren Boden fielen. Anfang 2010 war es dann so weit. Künstlerhaus 188 e.V. wurde Projektträger des Kompetenzzentrums Gestalter im Handwerk. Kooperationspartner ist die Handwerkskammer Halle. Das Ziel: Wissenstransfer aus dem Kreativbereich in das Handwerk.

 

Der erste berufsbegleitende Fortbildungskurs startete im Januar 2011. Der zweite folgte in diesem Jahr. „Es gibt viele Interessierte, aber auch viel Gesprächsbedarf“, sagt Anne Holderied. Die studierte Kunstpädagogin leitet seit September 2010 das Projekt. Unermüdlich ist sie dabei, die Angebote bei den Handwerksinnungen bekannt zu machen.

„Wir haben ganz bewusst die Worte Design und Kunst weggelassen und stattdessen den Begriff Gestaltung gewählt. Denn mit dieser Weiterbildung wollen wir uns an Handwerker wenden, die aus ihren gestalterischen Ideen Konzepte machen wollen, um sich so zum umfassend kompetenten Handwerker weiterzuentwickeln“, sagt sie. Der Fokus liegt auf praxisorientierten Fortbildungsmöglichkeiten. Und die bieten sich in vielfältiger Form.

 

Fortbildung mit Abschluss

Die Teilnehmer können innerhalb von zwei Jahren den bundesweit anerkannten Titel Gestalter im Handwerk erlangen oder je nach Interessenlage nur einzelne Module buchen.

Die Fortbildung im Kompetenzzentrum findet alle 14 Tage, jeweils acht Unterrichtsstunden am Freitagnachmittag und am Samstag statt. Hinzu kommen drei Wochen am Stück, so dass während der gesamten Zeit insgesamt 1.000 Unterrichtsstunden absolviert werden.

Kosten würde das 5.000 Euro pro Teilnehmer. Da aber das Projekt vom Europäischen Sozialfonds und vom Land Sachsen-Anhalt – zunächst bis Ende 2013 – gefördert wird, fallen für jeden Teilnehmer nur 1.700 Euro an. Gut angelegtes Geld, wenn man bedenkt, über welche Ausbildung die Dozenten verfügen: Sie sind Absolventen der Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst und Design mit einer langen Tradition. „Vor allem die Münchner beneiden uns darum“, weiß Anne Holderied.

Auch für die Dozenten ist diese Arbeit mit den Kursteilnehmern interessant. Denn zum einen haben sie es mit Menschen unterschiedlichen Alters und andererseits mit verschiedenen beruflichen Ausbildungen zu tun (Tischler, Steinmetz, Goldschmied, Weber, Metallbauer, Kfz-Lackierer, Maler und Lackierer und jetzt auch Fliesenleger). Im Kurs, der seit Januar 2012 läuft, sind sogar eine gelernte Bürokauffrau, die umsattelt auf Kreativitätstrainerin, und ein Ergo-Therapeut. „Diese Gewerke übergreifende Mischung von größtenteils Selbständigen sehen wir als zusätzliche Bereicherung bei dieser Fortbildung“, betont Anne Holderied. „So können ganz unterschiedliche Erfahrungen einfließen.“

 

Praxisorientierte Themen

Die Themen sind so gewählt, dass sich Handwerker während der Fortbildung allgemein und gezielt in Gestaltungsfragen weiterbilden. Vermittelt werden dabei Kenntnisse in allen wesentlichen Bereichen der Gestaltung wie Naturstudium, Gestaltungslehre, Typografie, komplexes und experimentelles Gestalten, Layout, CAD und Fotografie. Es wird sowohl mit der Hand als auch am Computer gearbeitet.

Veranstaltungen zu Kulturgeschichte, Präsentationstechnik und Marketing bereichern die Angebote. Das Experimentieren mit Formen und Materialien ist ebenso Bestandteil der Fortbildung wie Gewerke übergreifende Einblicke. All das trägt dazu bei, die Kreativität der Kursteilnehmer produktorientiert zu fördern.

 

Modulgestaltung nach Wunsch

Neben der Qualifikation zum Gestalter im Handwerk kann man intensive gewerkspezifische Workshops buchen. Das Kompetenzzentrum bietet verschiedene Module an, entweder als Kompaktwoche oder zu festgelegten Terminen.

Die Themen sind sehr vielseitig und sprechen verschiedene Interessen an. Während beispielsweise Schmuckgestaltung schon sehr speziell ist, sprechen die Themen Fotografie und Bildbearbeitung einen größeren Kreis an. Die Seminarreihe Rederhetorik, Gesprächsrhetorik und Argumentation ist allen zu empfehlen, die täglich Umgang mit Kunden haben.

Für das Thema Gestaltung interessiert sich beispielsweise Fliesenlegermeister Volker Henze. „Ich denke, dass ich im Herbst solch einen Kurs besuchen werde“, sagt er. „Bei meiner täglichen Arbeit habe ich sehr viel mit Gestaltung und räumlichem Denken zu tun. Da kann es nicht schaden, wenn man mehr darüber weiß und es dann auch in der Praxis anwenden kann. Beispielsweise wenn Kunden ihr Bad neu fliesen lassen möchten und noch keine konkreten Vorstellungen haben. Oftmals heißt es dann, `Sie sind der Fachmann`. Also wäre es nicht schlecht, wenn man dann mit einigen fundierten Vorschlägen aufwarten kann.“

Auf das Kompetenzzentrum machte Volker Henze Projektmitarbeiter Michael Arlet aufmerksam, bei dem er seine Meisterschule besucht hat. „Auch andere Fliesenleger haben bereits ihr Interesse bekundet, sogar an den beiden laufenden Kursen zum Gestalter im Handwerk. Doch leider wurde bisher noch nichts daraus. Bei einem kam ein großer Auftrag dazwischen, bei einem anderen ein Unfall“, sagt Michael Arlet. Zuversichtlich stimmt ihn das Interesse von Volker Henze an einem der Kurse, ein Beispiel, das Schule machen könnte.

„Wir planen noch weitere Module, um den unterschiedlichsten Interessen gerecht zu werden“, so Anne Holderied. Im Fokus sind die Themen Marketing, Schrift, Layout, Kreativitätstraining oder gestalterische Entwurfsarbeit. Die Kosten für die Teilnahme an den Modulen betragen zwischen 50 und 100 Euro plus Material.

Darüber hinaus ist ab einer Teilnehmerzahl von zehn Personen eine Modulzusammenstellung nach Wunsch, gewerk- und firmenbezogen möglich. Zeitrahmen und Ort sind ebenso verhandelbar. Dieses Angebot lässt sich sogar kurzfristig realisieren, bis sieben Tage vor Beginn. „Die ersten, die solch ein Angebot genutzt haben, waren die Handwerkskammerfrauen von Halle“, sagt die Projektleiterin.

 

 

aus: Fliesen und Platten, Ausgabe: 6.2012

von Hannelore Schuster