Wir haben noch viel Luft nach oben.

„Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, erklärt, warum die Kreativwirtschaft eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Standorts spielt und wie er die stärkere Wahrnehmung und Vernetzung der Branche fördern will.

Bereits 2008 bescheinigte die Clusterpotenzialanalyse des Landes der Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt „erhebliche Entwicklungspotentiale“. Wo steht die Branche aus Ihrer Sicht?

Die Kreativwirtschaft ist in den vergangenen Jahren deutschlandweit zu einem ähnlich wichtigen Wirtschaftsfeld wie der Automobilbau, der Maschinenbau oder die Informations- und Kommunikationswissenschaft geworden. Auch in Sachsen-Anhalt hat sich die Branche mit den Schwerpunkten Design und Medien zu einem dynamisch wachsenden Faktor für den gesamten Standort entwickelt. Die großen Umsatz- und Beschäftigungspotentiale der Kreativwirtschaft belegen auch die aktuellen Studien aus Magdeburg und Halle (Saale). Für Sachsen-Anhalt insgesamt lässt sich feststellen, dass die Kreativwirtschaft annährend so viele Menschen beschäftigt wie die Chemieindustrie oder der Maschinenbau.

Die Kreativwirtschaft ist noch aus anderen Gründen für Sie eine Schlüsselbranche für Sachsen-Anhalt…

Richtig. Durch ihre Innovationsleistung gibt die Kreativwirtschaft auch wichtige Impulse für Wachstum und Beschäftigung in anderen Wirtschaftszweigen. Wie die Informationstechnik wirkt sie als klassische Querschnittsbranche auf die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungskette. Sie ist nicht nur selbst kreativ, sondern sie macht auch andere Branchen kreativer und damit wertschöpfungsstärker. Mit einem schönen oder gar einem Designertisch erzielt eine Tischlerei einfach eine höhere Marge als mit irgendeinem Tisch. Außerdem übernimmt die Kreativbranche oft eine Vorreiterrolle beim Einsatz neuartiger Methoden und Formen der Arbeitsgestaltung. Dazu gehören etwa die interdisziplinäre Zusammenarbeit und innovative Arbeitsformen wie innovative Arbeitsformen wie Innovation Communities oder Coworking Space. Kurz gesagt: Kreative Köpfe sind im Zeitalter der Wissensgesellschaft mindestens ebenso wichtige Standortfaktoren wie Infrastruktur, Bodenschätze oder Lohnstückkosten.

In welchen Branchen sehen Sie besonders große Potentiale für die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kreativen?

Das gilt grundsätzlich für alle Wirtschaftszweige, wobei es sicherlich in bestimmten Bereichen größere Schnittmengen gibt als in anderen. Derzeit arbeiten unsere Fachleute im Dialog mit vielen Akteuren an der Weiterentwicklung der regionalen Innovationsstrategie (RIS3) des Landes Sachsen-Anhalt. Deren Ziel ist es, mögliche Zukunftsmärkte zu identifizieren, auf die wir uns bei der Ausgestaltung der neuen EU-Strukturfondsperiode ab 2014 konzentrieren werden. In diesem Rahmen erwarte ich auch wichtige Schlussfolgerungen für gemeinsame Handlungsfelder zwischen Kreativen und Unternehmen in unserem Land.

Werden die Potentiale in der Zusammenarbeit zwischen Kreativwirtschaft und anderen Unternehmen in Sachsen-Anhalt bereits ausreichend genutzt?

Nein, hier ist aus meiner Sicht eindeutig noch Luft nach oben. Blickt man im Gegensatz dazu auf die zahlreichen nationalen und internationalen Auszeichnungen, die Kreative aus Sachsen-Anhalt regelmäßig erhalten, scheint hier – zumindest teilweise – noch das Sprichwort von der Geltung des Propheten im eigenen Land zuzutreffen. Das müssen wir ändern. Zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt auch der Abschlussbericht des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt wichtige Hinweise. Dazu gehören unter anderem die stärkere Einbindung der Potentiale der Branche in das Marketing und die Kommunikation auf Landesebene sowie die gezielte Unterstützung der Kreativen in der Etablierungsphase, wie dies etwa im Designhaus Halle bereits geschieht.

Worin sehen Sie die Ursachen dafür?

Die Kreativwirtschaft ist mit elf Teilmärkten eine sehr heterogene Branche, die in vielen Fällen noch zu schwach vernetzt ist und deren Leistungsfähigkeit oft noch nicht ausreichend wahrgenommen wird. Darüber hinaus führen die vorwiegend kleinteiligen Strukturen der Kreativunternehmen zu Problemen bei der Wachstumsfinanzierung und beim überregionalen Marktzugang. Zu beiden Punkten sind wir als Landesregierung im intensiven Gespräch mit anderen Akteuren wie der Investitionsbank Sachsen-Anhalt, den Industrie- und Handels- sowie den Handwerkskammern, um darauf zu reagieren.

Welche Schwerpunkte setzt die Landesregierung bei der Förderung der Kreativbranche?

In einem ersten Schritt ging es in den vergangenen Monaten darum, deren Leistungen stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken, etwa durch die Einbindung des Themas in die Dachmarkenkampagne des Landes Sachsen-Anhalt und durch verschiedene Publikationen. Darüber hinaus bieten wir auf der zentralen Informationsplattform zur Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt unter www.kreativ-sachsen-anhalt.de die Möglichkeit, sich potentiellen Auftraggebern zu präsentieren. Ein Angebot, das bereits mehr als 160 Unternehmen und Freiberufler nutzen. In der jetzigen Phase ist der Schwerpunkt unserer Maßnahmen, die Vernetzung der Kreativwirtschaft untereinander und mit anderen Branchen zu unterstützen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Mit einer Reihe an Projekten, welche im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe der Landesregierung zwischen Wirtschaftsministerium, Kultusministerium, Staatskanzlei sowie der Investitions- und Marketinggesellschaft gemeinsam koordiniert werden. Dazu gehören Veranstaltungen, wie wir sie im Herbst 2012 zum „Kreativen Handwerk“ durchgeführt haben, um die Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen. Aktuell haben wir unter dem Titel „Impulsgeber Kreativwirtschaft“ einen Leitfaden herausgegeben, mit dem wir Unternehmen ermutigen wollen, bei der Entwicklung innovativer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen mit der Kreativbranche Sachsen-Anhalt zusammenzuarbeiten. Im Herbst dieses Jahres wird es die erste Auflage des Wettbewerbs „Bestform“ geben, an dem Unternehmen und Kreative mit gemeinsamen Projekten teilnehmen können. Nicht zuletzt muss aber auch die Kreativwirtschaft selbst den stärkeren Austausch untereinander suchen. Mit dem Verein Kreativwirtschaft Sachsen-Anhalt e.V. existiert dazu bereits eine gute Plattform für die Zusammenarbeit.

Eingangs erwähnten Sie bereits die aktuellen Kreativwirtschaftsbereiche von Magdeburg und Halle (Saale). Die entsprechende Untersuchung für ganz Sachsen-Anhalt stammt aus dem Jahr 2006. Sehen Sie hier auch Handlungsbedarf?

Mit den jetzt erschienenen Studien aus Magdeburg und Halle (Saale) verfügen wir über aktuelle Zahlen, Analysen und Handlungsempfehlungen zu den beiden wichtigsten Zentren der Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt. Diese werden durch die im vergangenen Jahr erschienene Studie zum kreativen Handwerk im Land ergänzt.“

(aus „Kreatives Sachsen-Anhalt, Wertschöpfung und Potential.“ von 2013)