die Zukunft ist kreativ

Handwerkliches Gestalten – gestalterisches Können wird immer wichtiger, um Kunden individuelle und qualitativ hochwertige Produkte anbieten zu können. Aber wie lässt sich »professionelle« Kreativität lernen und in den Arbeitsalltag integrieren?

Der Begriff Kreativität kommt vom lateinischen Wort »creare«, was so viel bedeutet wie »etwas neu schöpfen, erfinden, erzeugen, herstellen«, aber auch »auswählen«. Alles in allem Fähigkeiten, die das Steinmetzhandwerk mitunter ausmachen. Beate Amrehn, Handwerksdesignerin und Formgebungsberaterin der Akademie für Handwerksdesign Aachen, verbindet den Begriffe Kreativität eher mit einer laienhaften Vorstellung von Gestaltung. Dahinter steckt oft die Idee, dass entwerfen heißt, die Seele baumeln zu lassen und verträumt am Schreibtisch Gedanken nachzusinnen. Das ist zwar schön, hat aber nicht viel mit  professioneller Gestaltungskompetenz zu tun. Steinmetze sind von Berufs wegen kreativ und kundenorientiert, das heißt sie bieten ein individuelles Produkt als Service-Leistung an. Es geht um eine zielgerichtete Vorgehensweise, die optimalerweise den Wünschen des Kunden gerecht wird und gleichzeitig den Gestaltungsanprüchen des Steinmetzen entspricht.

Wenn eine kreative Idee wie ein Blitz einschlägt, ist das bei diesem Prozess zwar förderlich, aber nicht zwingend notwendig. Denn jeder Mensch kann, wenn auch je nach Veranlagung qualitativ unterschiedlich, Gestaltung erlernen. Was es dazu bedarf sind Interesse und Neugier für den Gestaltungsprozess.

„Wir sehen nur so viel, wie wir zu sehen gelernt haben“, sagt Beate Amrehn. Um beispielsweise beim plastischen Gestalten den Raum erfassen zu können, braucht es Übung. Genauso ist es auch beim Zeichnen oder bei der Formgebung.

Um zwischen Kundenanfragen, Büroarbeit und Standart-Leistungen neue Ideen, Konzepte oder Produkte zu entwickeln braucht man zunächst Raum und Zeit, aber auch das richtige Handwerkszeug. Mit den verschiedenen gestalterischen Methoden kann jeder Steinmetz auch in den schöpferischen Prozess eine Routine bringen. Je mehr Übung man hat, desto leichter gehen kreative Aufgaben von der Hand, da auch denkerische Prozesse beschleunigt werden können. Und dieses gestalterische Know-how wird oft unterschätzt. In der Vergangenheit musste man nicht für jeden Kunden etwas Neues entwerfen. Ein Repertoire von Standard-Grabsteinen reichte vollkommen aus. Heute muss sich jeder Steinmetz behaupten, indem er individuelle, auf den Kunden zugeschnittene Qualitätsprodukte mit eigener Geschichte anbieten. Die Nachfrage ist spezieller geworden, die Kunden sind anspruchsvoller. Erfahrung und Können im Bereich „Gestaltung“ sind genauso wichtig wie eine gute Umsetzung und ein durchdachtes Marketing. In großen Unternehmen gibt es häufig eine „Creative“-Abteilung und Methoden wie „Brainstorming“ oder „Mind-Mapping“ werden immer populärer. Ideen sollen in strukturierter Art und Weise entworfen und umgesetzt werden. Auch in mittelständischen Betrieben hilft ein gewisser Automatismus in der Gestaltung.

KREATIVITÄT LERNEN

Nicole Sanner, Industriedesignerin, doziert an der Akademie für Gestaltung und Design in München. Auch sie findet, dass der Bereich „Gestaltung“ in der handwerklichen Ausbildung zu kurz kommt. Und das, obwohl gestalterische Kompetenzen immer wichtiger werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben – Stichworte „Wandel der Bestattungskultur“ und „Individualität“. Ein professionelles Design ist ein Qualitätsmerkmal. Nicht nur für Kunden, auch für Architekten. Diese schätzen den Blick für Form und Farbe in der Zusammenarbeit mit dem Handwerker. Des Weiteren kann das Beleben kreativer Fähigkeiten dazu führen, dass man sein Leistungsspektrum erweitern kann, beispielsweise indem man eine eigene Möbellinie entwickelt. Neue Wege eröffnen sich auch in der Kundenberatung, die umfangreicher und speziell auf den Kunden zugeschnitten erfolgen kann. Und kreativ sein kann jeder, man braucht nur die richtige Herangehensweise. Zwar fällt es manch einem leichter, Innovationen anzukurbeln, aber grundsätzlich ist nur ein gewisses Interesse als Grundlage notwendig, vor allem im beruflichen Bereich. Allgemein ist das Ziel, neue Lösungswege für ein gestelltes Problem zu finden. (…)

aus „STEIN – Zeitschrift für Naturstein“, Ausgabe 07/2014, von Gertrud Halas